
Wer regelmässig vegane Events besucht, hat vermutlich schon Cheela getroffen, die 13jährige Cocker-WG-Partnerin des VGS-Vorstandsmitglieds Marielle.
Marielle hat mir vor ein paar Tagen ein Bild von Cheela geschickt, auf dem es ihr sichtlich schlecht geht. Auch zu sehen auf dem Bild: Marielles Hand, die Cheelas Pfote hält. Anbei der Text: “Sie hat aus Versehen Avocado gegessen, musste sie zum Tierarzt tragen, weiss nicht, ob sie überlebt.”
Cheela bedient sich beim Gassi gehen gerne vom “Strassenbuffet”. Die Vorstellung, ein wenig Avocado könne sie umbringen, erschreckte mich, besonders da sie ja völlig unbeschadet ihr bisheriges Leben lang Strassenreinigung gespielt hat. Zugegeben, eine 13jährige Hündin hat ihr Leben wohl bald hinter sich. Und selbst wenn ein Mensch mit 90 stirbt, so freuen wir uns doch meist auch über das hohe Alter, das dieser erreicht hat und anerkennen – trotz Abschiedsschmerz -, dass der Tod nun mal unvermeidlich ist.
Die meisten empfindungsfähigen Lebewesen werden nicht alt. 58 Milliarden „Nutztieren“ geht es weltweit jedes Jahr nach einem Bruchteil ihres Lebens an den Kragen. Die Tiernutzungsindustrie und kulturellen Konsumgewohnheiten sind die Hauptverantwortlichen. Eine Milchkuh, die eigentlich 30 Jahre alt werden könnte, wird nach ca. 5 Jahren geschlachtet, weil ihre Milchleistung nicht mehr ausreicht um zu rentieren. Ein männliches Küken, das als Nebenprodukt einer Legehennenzucht ins Leben gezwungen wird, wandert mit Hilfe von Gas und/oder einer Zerkleinerungsmaschine gleich am Schlüpftag wieder ins Grab – nein, in die Mülltonne.
Cheela ist jedenfalls wieder wohlauf, einer Infusion und Entzündungshemmern sei Dank. Laut Tierarzt befreite sie sich bereits nach wenigen Stunden aus ihrer Genesungsbox, um die anderen Patienten zu besuchen und vorallem zu beschnuppern. Auf dem Heimweg war die Leine bereits wieder gespannt, der Wedelmotor lief wie geschmiert.
Cheela hat Glück. Sie ist ein Hund und “gehört” der Bürgerin eines Industriestaates. Sie darf alt werden, hungert nie, wird medizinisch versorgt und last but not least: sie bekommt Zuwendung, wird geliebt.
58 Milliarden sogenannte “Nutztiere” haben dieses Glück nicht. Sie werden als “falsche” Spezies geboren, am falschen Ort – oder beides. Ihre komplette Lebensspanne verbringen sie unter lebensunwürdigen Bedingungen, werden misshandelt und im Säuglings- oder Kleinkindalter oder wenig später getötet, damit ihre Körper genutzt werden können. Von ihnen wird es nie Fotos geben auf denen sie fürsorglich gestreichelt werden. In diesem Augenblick sind 58 Milliarden Schweine, Kühe, Hühner, Kaninchen, Enten und Gänse alleingelassen, während kaum jemand dies zur Kenntnis nimmt. Cheelas Leid mal 58 Milliarden. Der Versuch, mir dieses Ausmass vorzustellen, stimmt ohnmächtig. Würden alle Menschen sich plötzlich dazu entschliessen, diese Tiere zu beachten, zu streicheln; wir hätten zu wenige Menschen, wir hätten zu wenige Hände.