Bis jetzt waren deine Tomaten nicht wirklich vegan. Aber jetzt…

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Ich bin ein schlechter Balkongärtner. In vielen Blumentöpfen und -kisten, die ich betreue, wächst nur noch Unkraut oder gar nichts mehr. Aber jetzt wird alles anders. Jetzt wird alles gut. Jetzt gibt es nämlich vegane Bio-Balkonerde. – Das gab’s noch nie, nirgendwo auf der Welt, und jetzt gibt’s das exklusiv hier in der Schweiz. Sackweise bei Coop, im Austausch für Störtebekers, wie Sämi sagt, oder Geld, wie es landläufig heisst, oder wie Fry sich ausdrückt: Shut up and take my money!

Hast du doch noch ein paar Fragen? – Die Kurzantwort anklicken und du hast die lange Antwort.

1. Wird jetzt wirklich alles gut?

Lange Antwort: Wahrscheinlich nicht ganz alles von heute auf morgen, aber wir kommen der Sache einen Schritt näher.

2. Erde ist doch eigentlich immer vegan, oder?

Lange Antwort: Es stimmt zwar, in einem Sack herkömmlicher Balkonerde hat es weder Fleisch, noch Fisch, noch Milchprodukte, noch Eier, noch Honig drin. Wäre Erde ein Lebensmittel, dürfte sie auf der Speisekarte im Restaurant gemäss der rechtlichen Definition deshalb wahrscheinlich als “vegan” deklariert werden. Zudem hat so ein Sack Erde auch kein Leder, keine Wolle, kein Pelz und keine Seide drin, und auch keine Tiere, die zu Unterhaltungszwecken dressiert oder in Kostüme gesteckt wurden. Das deckt so ungefähr alles ab, was gemeinhin als unvegan gilt. Ist also nicht sowieso jeder Sack Erde vegan?

Die Erde in den Säcken ist ein Gemisch aus verschiedenen Zutaten, u.a. auch Kompost. Bisher war der Kompost, der in Erdmischwerken verwendet wurde, prakatisch immer unvegan. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon: Das meiste kompostierte Material enthält zu wenig Stickstoff, um später den Bedürfnissen insbesondere von Jungpflanzen gerecht zu werden, weshalb Bio-Komposte i.d.R. mit Hornspähnen gedüngt werden, d.h. mit gemahlenen Hörnern und Hufen von geschlachteten Rindern. Für einen Schlachthof sind Hornspähne zwar nur ein sog. Nebenprodukt, aber wenn ein Erdmischwerk Hornspähne kauft, unterstützt es die Nutztierindustrie trotzdem finanziell, und wir tun das Gleiche indirekt, wenn wir dem Erdmischwerk die Erde abkaufen, in der die kompostierten Hornspähne enthalten sind. Dass das mit der veganen Idee in Konflikt steht, braucht wahrscheinlich keine Erklärung.

Weiterhin verwenden Erdmischwerke zum Teil Haus- und Gartenkompost von Kompostsammelstellen; darin sind immer Eierschalen, Knochen usw. enthalten, und zwar von Eiern hochgezüchteter Hybridhühner und von geschlachteten Tieren aus Massenhaltungen. Hier ist vielleicht weniger klar, inwiefern man durch die Verwendung eines solchen Komposts mit der veganen Idee in Konflikt gerät. Schliesslich erhält die Nutztierindustrie kein Geld dafür, dass die Leute Eierschalen und Knochen in den Kompost werfen, und das Erdmischwerk unterstützt mit dem Kauf des Komposts nur die Kompostsammelstellen finanziell. Trotzdem möchte ich als Veganer nach Möglichkeit keinen solchen Kompost verwenden. Um zu erklären, wieso, stellen wir uns zunächst eine Situation vor, die nichts mit Kompost oder Erde zu tun hat, nämlich: Ich habe auf meinen Geburtstag im Sommer unvegane Verwandte eingeladen und überlege mir:

a) Soll ich ihnen Sojamedaillons an Haferrahmsauce kochen, die sie kulinarisch begeistern?

oder

b) Soll ich ihnen Schweinsmedaillons an Rahmsauce kochen, die sie kulinarisch begeistern, und dann einfach noch sagen: “Ich könnte euch das Gleiche auch vegan kochen, ihr wärt ebenso begeistert”?

Mit welcher dieser beiden Alternativen bringe ich die Unterstützung meiner Verwandten für Nutztierindustrie mehr ins Wanken? – Eindeutig mit a); im Fall b) werden meine Verwandten meine Aussage, dass das vegan geradesogut ginge, als blosse Behauptung abtun und weiterhin glauben, dass die Nutztierindustrie für ein gutes (d.h. u.a. kulinarisch befriedigendes) Leben notwendig sei. Wenn ich a) zur Auswahl habe, würde ich als Veganer deshalb niemals b) wählen; es widerspräche den Werten, für die ich mich einsetze.

Analog jetzt im Fall von Kompost und Erde: Ich habe auf meinen Geburtstag im Sommer unvegane Verwandte eingeladen und überlege mir:

a) Soll ich ihnen einen grossartigen Tomatensalat servieren und die Tomaten dafür auf meinem Balkon in veganem Kompost selber ziehen?

oder

b) Soll ich ihnen einen grossartigen Tomatensalat servieren, die Tomaten dafür auf meinem Balkon selber ziehen, und zwar in Kompost, dem Eierschalen, Knochen und anderer Abfall aus der Nutztierindustrie beigegeben wurden, und ihnen dann einfach noch sagen: “Diese Tomaten wären auch auf veganem Kompost gewachsen”?

Auch hier bringe ich die Unterstützung meiner Verwandten für die Nutztierindustrie mehr ins Wanken, wenn ich a) wähle, und sie würden meine Aussage im Fall b), dass das auch mit veganem Kompost ginge, als blosse Behauptung abtun. Sie könnten mir im Fall b) sogar wahrheitsgemäss vorhalten, dass die Tomaten auf ihren Tellern nur deshalb da sind, weil es die Nutztierindustrie und ihre Abfälle gibt, denn von den Nährstoffen in diesen Abfällen hätte die Tomatenpflanze auf meinem Balkon im Fall b) nun mal gezehrt.

Tatsächlich argumentieren Omnis oft so: “Pflanzenproduktion funktioniert gar nicht ohne Tierproduktion, und deshalb macht Veganismus keinen Sinn.” Mit b) bestätige ich dieses Argument mit den Tomaten und setze ihm nur lahme Worte über Hätti und Wetti und Würdi entgegen, mit a) widerlege ich es bereits mit den Tomaten. Deshalb: Wenn ich a) zur Auswahl habe, wähle ich als Veganer nicht b), denn das liefe dem zuwider, wofür ich mich einsetze.

3. Erde ist doch eigentlich nie vegan, oder?

Lange Antwort: Es gibt keine fruchtbare Erde und kein funktionierender Komposthaufen ohne Würmer, Insekten und andere Kleintiere, und für diese Nützlinge gibt es keinen pflanzlichen Ersatz. Aus diesem Grund könnte man auf die Idee kommen, dass Erde, jedenfalls fruchtbare Bio-Erde, nie vegan sein kann. Insbesondere für Menschen, die “vegan” mit “frei von Tierleid” gleichsetzen, dürfte diese Idee naheliegen. Die Kleintiere jedenfalls, die für die Bodenfruchtbarkeit sorgen, leiden bestimmt ab und zu, sofern sie überhaupt irgendetwas empfinden (woran ich nach 16 Jahren Beschäftigung mit Philosophie inkl. einer Doktorarbeit über Bewusstseinsforschung nicht wesentlich mehr Zweifel habe als daran, dass z.B. du irgendetwas empfindest). D.h. fruchtbare Bio-Erde ohne Tierleid gibt es nicht, denn wo Tiere leben, da leiden Tiere auch.

Die Gleichsetzung von “vegan” mit “frei von Tierleid” macht m.E. aber keinen Sinn, da “vegan” dadurch als Handlungskriterium völlig unbrauchbar wird. Gemäss diesem Verständnis von “vegan” wären nicht einmal mehr atmen oder den Mund aufmachen vegan, weil dabei manchmal Insekten in Nase oder Mund gelangen und deshalb leiden. Wenn Veganismus etwas sein soll, das lebbar ist, müssen wir eine pragmatischere Definition voraussetzen, z.B. diese: vegan ist alles und nur das, was mit dem Recht auf Freiheit, dem Recht auf Leben und dem Recht auf Unversehrtheit aller betroffenen Tiere (inkl. der Menschen) vereinbar ist. Was wir hierzulande und heutzutage in der sog. Nutztierhaltung mit den Kühen und Schweinen und Hühnern machen, ist demnach nicht vegan, aber was wir mit Würmern un Käfern in Komposthaufen und in der Erde machen, ist es schon, denn diese Tiere schränken wir i.d.R. gar nicht ein, sondern lassen sie einfach das machen, was sie sowieso machen würden.

Klar: Wie beim Umstechen eines Hauskomposts oder beim Hacken eines Gartenbeets werden auch beim Mischen und Abfüllen von Erdsäcken Kleintiere in Mitleidenschaft gezogen. Ab wann das eine Verletzung der Rechte dieser Kleintiere ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren und Annahmen ab, aber es macht auf jeden Fall keinen Sinn, jede Beeinträchtigung eines Kleintiers durch menschliches Handeln als Rechtsverletzung zu betrachten. Umgekehrt macht es auch keinen Sinn, jede Beeinträchtigung eines Menschen durch ein Kleintier als Rechtsverletzung zu betrachten. Nehmen wir z.B. den Fall, dass mich eine Mücke sticht. Das nervt, aber die Mücke verletzt damit kein Recht von mir. Selbst wenn sich der Stich entzündet oder sogar eine Blutvergiftung auslöst, die für mich lebensgefährlich ist, hat mich die Mücke durch den Stich nicht in meinen Rechten verletzt. Sie hat mich halt einfach gestochen, wie es Mücken so tun, um zu überleben, und dann war das Leben hart und ich starb fast daran. Analog bei den Kleintieren im Komposthaufen, die durch menschliche Aktivität zu Schaden kommen: Manchmal ist das Leben einfach hart zu diesen Kleintieren, ohne dass ihre Rechte verletzt wurden.

Und darum: Ja, doch, vegane Erde, das gibt’s schon.

4. Wozu soll ich Erde in einem Sack kaufen? Erde liegt doch überall herum.

Lange Antwort: Erde, die man aus irgend einem Garten, aus dem Wald oder von einem Feld nimmt, produziert auf dem Balkon oder Fenstersims meistens keine befriedigenden Resultate. Das gleiche gilt für Erde, die noch vom letzten Jahr oder sogar von noch länger her in der Blumenkiste ist. Erde laugt mit der Zeit aus und kann insbesondere Jungpflanzen nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen; Tomatensetzlinge und Erdbeeren sterben ab, stattdessen wächst Unkraut oder gar nichts.

Erfolgreiche Balkongärtnerinnen und Balkongärtner wirken diesem Problem entgegen, indem sie die Erde in den Töpfen regelmässig mit neuen Nährstoffen versorgen, d.h. düngen. Mehr dazu bei den Fragen 5, 6 und 7.

5. Vegane Bio-Balkonerde… gibt’s das auch ohne Bio? Ich hasse Bio.

Lange Antwort: Wenn in deinen Töpfen wie bei mir im letzten Jahr trotz neuen Setzlingen und genügend Licht, Wärme und Feuchtigkeit nichts gescheites mehr wuchs, ist die Erde darin wahrscheinlich ausgelaugt. Manche Leute helfen in so einer Situation mit chemischen bzw. mineralischen Düngern nach. Dagegen spricht, dass diese Dünger, insbesondere im Fall von chemischem Stickstoffdünger, sehr energieaufwändig in der Produktion sind und deshalb das Klima stärker belasten als biologische Alternativen, oder aber dass sie eine nicht-erneuerbare Ressource darstellen, was besonders im Fall von mineralischem Phosophordünger ein akutes Problem ist – Stichwort Peak Phosphor. Zudem ist es ohne die nötige Erfahrung leicht, zu viel oder zu wenig Dünger zu verwenden, und dann wächst trotzdem nichts gescheites.

Anstatt auf meinem Balkon einen kleinen Beitrag zur Verschärfung der globalen Umweltprobleme zu leisten, will ich dort lieber ein bisschen an einer nachhaltigeren Welt werkeln. Und das heisst beim Düngen meiner Blumenkisten: Kompost ist Trumpf. Oder eben eine Erdmischung, die Kompost enthält. Denn davon ja eben jetzt eine vegane. Und wenn du Bio wirklich hasst, tröstet dich vielleicht, dass du um diese Erdmischung herum immer noch einen Plastiksack mitkaufst.

6. Vegane Bio-Balkonerde in einem Plastiksack aus dem Coop… steht das nicht im Widerspruch zur Kreislaufidee der Biolandwirtschaft?

Lange Antwort: Die Kreislaufidee der Biolandwirtschaft besagt, dass die Nährstoffkreisläufe auf möglichst natürliche Weise geschlossen werden sollten. Darin sind zwei Forderungen enthalten: erstens, dass die Nährstoffe überhaupt einen Kreislauf bilden sollten, und zweitens, dass dieser Kreislauf möglichst naturnah sein sollte. In der industriellen Landwirtschaft ist oft nicht einmal die erste Forderung erfüllt, denn hier nehmen viele Nährstoffe, so z.B. Phosophor, den Weg von einem Bergewerk über einen Acker in einen Fluss in ein Meer und bleiben dann dort: eine Nährstoffeinbahnstrasse, die uns Richtung Peak Phosphor führt. Im Vergleich dazu sind auch Nährstoffkreisläufe eine Verbesserung, die nicht besonders naturnah sind.

Die vegane Bio-Balkonerde, die es jetzt im Coop zu kaufen gibt, wird von der Ricoter Erdaufbereitungs AG in Aarberg produziert. In Aarberg steht auch eine Zuckerfabrik, die jährlich Millionen von Zuckerrüben verarbeitet. An allen Zuckerrüben, die angeliefert werden, klebt noch Erde von den Feldern, auf denen sie gewachsen sind. Diese Erde wird vor der Verarbeitung abgewaschen und bleibt zurück. Tonnenweise. – Ricoter nimmt diese Erde, die nicht mehr besonders nährstoffreich ist, vermischt sie u.a. mit Kompost und anderem Dünger, und verkauft sie wieder. Damit ist eine Art Kreislauf hergestellt, wenn auch offensichtlich kein besonders naturnaher. Besser jedenfalls, als diese Erde und die darin noch enthaltenen Nährstoffe in die Aare zu kippen und nach und nach ins Meer schwemmen zu lassen.

Klar wäre es rein vom Kreislaufgedanken her noch besser, wenn wir alle einen Komposthaufen und am besten auch noch ein Kompostklo auf den Balkon hätten und unsere Blumentöpfe mit dem eigenen Kompost düngen würden, aber selbst dann wäre es immer noch toll, dass es jetzt vegane Bio-Balkonerde zu kaufen gibt, denn im Bereich der Jungpflanzenzucht haben sogar professionelle Bio-Betriebe oft wenig Zutrauen zu ihrem eigenen Kompost und greifen auf spezielle Erdmischungen von Kompost-Profis zurück.

Sowohl das Kompostieren selbst wie auch die Verwendung des fertigen Komposts braucht mehr Erfahrung, als man vielleicht denkt; insbesondere können bei unfachgemässem Kompostieren Gase wie Methan entstehen, was sich negativ auf die Klimabilanz auswirkt. Zudem ist das Verhältnis und die Verfügbarkeit verschiedener Pflanzennährstoffe in einem Kompost für Laien wie mich schwer (naja: unmöglich) abzuschätzen, geschweige denn zu kontrollieren, was zu schwankenden Resultaten in den Blumentöpfen führt.

Und sowieso: Wer einen Geruchssinn hat, oder Nachbaren mit Geruchssinn, will keinen Komposthaufen auf dem Balkon. Für eigene Kompostexperimente braucht es entweder einen Garten oder Zugang zu einem gemeinschaftlichen Kompost. Und gemeinschaftliche Komposthaufen sind fast nie vegan, da die Leute Eierschalen, Knochen usw. kompostieren. (Das ist für mich zwar kein Totschlagargument gegen die Verwendung eines solchen Komposts, aber doch etwas, das ich auf der Kontra-Seite in die Waagschale lege; vgl. Frage 4.)

7. Was genau ist der Unterschied zwischen dieser veganen Bio-Erde und “normaler” Bio-Erde?

Lange Antwort: Da Hauskompost wie bei Frage 3 beschrieben immer Eierschalen, Knochenteile und andere Abfälle aus der Nutztierindustrie enthält, verwendet der Hersteller Ricoter für die vegane Erdmischung einen Rindenkompost, genauer kompostierte Nadelholzrinde. Der Stickstoffgehalt von Nadelholzrinde allein wäre aber zu gering (und der von Hauskompost zu schwankend), um später den Bedürfnissen der Balkonpflanzen gerecht zu werden. Für Bio-Erden hatte Ricoter in solchen Fällen immer Hornspähne mitkompostiert (vgl. auch hier Frage 3), da diese viel Stickstoff enthalten und als Hilfsstoff in der Biolandwirtschaft zugelassen und üblich sind. Für die vegane Erde mussten sie einen Ersatz suchen.

Für Ricoter war klar, dass sie eine vegane Erde in Bio-Qualität auf den Markt bringen wollten. Das heisst, dass der Ersatz für das Hornmehl ebenfalls als Hilfsstoff in der Biolandwirtschaft zugelassen sein musste. Damit war chemischer Stickstoffdünger bereits ausgeschieden (zum Glück, vgl. Frage 5). Nach der Prüfung verschiedener Alternativen entschieden sie sich für Maisprotein. D.h. zusammen mit der Rinde kompostieren sie Maisprotein, damit der Stickstoffgehalt des Komposts steigt. Biochemisch macht das auf jeden Fall Sinn, denn Protein besteht aus Aminosäuren, und Aminosäuren sind Stickstoffverbindungen. Aber Maisprotein kompostieren? Sollte man das nicht gescheiter essen?

Ich verstehe von der ganzen Sache noch zu wenig, um diese Frage für mich abschliessend beantworten zu können. Ich habe bei Ricoter nachgefragt, wo das Maisprotein herkommt. Es kommt aus Ungarn, ist garantiert GVO frei und wird bei der Produktion von Maisstärke als Nebenprodukt gewonnen. Beim verarbeiteten Mais handelt es sich um Futtermais aus konventionellem Anbau. Das die Fakten. Wie soll man die bewerten?

Das hängt von vielen weiteren Fakten ab, die ich nicht kenne. Z.B.: (Wie gut) eignet sich dieses Futtermais-Protein für die menschliche Ernährung? Was passiert damit, wenn Ricoter es nicht kauft? Landet es vielleicht so oder so nicht in der menschlichen Ernährung? Oder nur indirekt via Verfütterung z.B. an Rinder? Wie hoch sind dabei die sog. “Veredelungsverluste”? Und wie viel des durch diese Maisprotein-“Veredelung” für die menschliche Ernährung verlorenen Stickstoffs landet in der From von Hornspähnen u.ä. so oder so auf dem Kompost, wie viel wird dem landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf etwa durch Verbrennung ganz entzogen? Auf der anderen Seite: Wie viel Gramm Maisprotein kompostiert Ricoter pro Sack Erde im Schnitt etwa? Wie viele Gramm Protein bzw. wie viele Nahrungskalorien können aus einem Sack Erde auf einem Balkon wieder in Form von Gemüse und Früchten “herausgeholt” werden? Und welche anderen, vielleicht viel wichtigeren Fakten vergesse ich in meinen Überlegungen?

Jedenfalls, auf der Liste der zugelassenen Betriebsmittel für den Biolandbau in der Schweiz stehen jedenfalls viele Dünger, die Maisprotein enthalten. Das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL, das diese Liste zusammenstellt, kam offenbar zum Schluss, dass es Sinn machen kann, Maisprotein als Dünger anstatt als Nahrungsmittel zu verwenden. Ich werde beizeiten einmal nachfragen, ob sie mir das aus ihrer Sicht erklären können. Ich lege es mir bis dahin so zurecht:

  1. Maisprotein ist wahrscheinlich nicht ein besonders wertvolles Lebensmittel für die menschliche Ernährung; es ist mir jedenfalls noch nie auf dem Teller begegnet, im Unterschied z.B. zu Weizenprotein oder Sojaprotein. (Dafür könnte zu sprechen, dass Maisprotein das einzige Protein einer Nahrungspflanze ist, das in der Betriebsmittelliste des FiBL bei den zulässigen Düngern als Zutat vorkommt; Kartoffelprotein wird in dem Dokument auch noch erwähnt, aber nur als Tierfutter, das unter gewissen Bedingungen in minimalen Mengen als Dünger verwendet werden dürfe. – Aber das könnte alles auch ganz andere Gründe haben, z.B. das Maisprotein besser nitrifizierbar ist als alle anderen Pflanzenproteine.)
  2. Wenn wir Maisprotein via Kompostierung in verfügbaren Stickstoff und diesen Stickstoff dann auf unseren Balkonen in Tomaten, Zucchetti, Erdbeeren u.ä. umwandeln, geht dabei zwar unter dem Strich sicher eine gewisse Menge an Nahrungsenergie verloren, aber wir gewinnen dafür Nahrungsqualität und -vielfalt. Und Freude. Und das ist ja scheints auch etwas wert.
  3. Und hey, wenn unter dem Strich Nahrungsenergie verloren geht, dann nennt man das doch “Veredelungsverluste”, oder? Und das freut doch dann die Omnis sicher, dass wir jetzt auch Veredelungsverluste zu verantworten haben, oder? Klar, im Unterschied zu den Veredelungsverlusten, die die Nutztierindustrie verursacht, kommen “unsere” schon mal ohne Tierrechtsverletzungen aus. Aber bis ein paar Zahlen und Fakten zur ökologische Bedeutung dieser veganen Maisprotein-Veredelungsverluste auf dem Tisch sind und wir sie mit dem hinlänglich bekannten ökologischen Desaster der omnivoren Veredelungsindustrie vergleichen können, haben die Omnis endlich wieder einmal einen kleinen erkenntnistheoretischen Bock in der Hand, nämlich den: “Hey, Veganerlis, ihr wisst im Moment auch noch nicht, wie viel schlimmer die omnivore Soja-Weizen-Mais-Veredelungsindustrie für die Umwelt tatsächlich ist, als es eine vegane Maisprotein-Veredelungsindustrie wäre, wenn sie denn existieren täte; vielleicht ist sie nicht einmal eine Grössendordnung schlimmer, sondern nur doppelt oder dreimal so schlimm!” Das ist so einer von den Böcken, die es gibt, wenn bei einer Farbe alles ausser irgend ein Brättli schon gelaufen sind. Solche Böcke gönnen wir den Omnis gerne. Schliesslich hat es noch Trümpfe im Spiel.

Jedenfalls: Die Hornspähne, die Ricoter für seine Bio-Erden sonst einsetzt, kommen aus verschiedenen Ländern, ausschliesslich aus BSE-gesicherten Herkünften, und nicht aus zertifiziert biologischer Landwirtschaft. Es ist also normal, dass Bio-Kompost mit organischem Material aus nicht-lokaler, konventioneller Landwirtschaft gedüngt wird. Lasst euch also von omnivoren Bio-Fans nicht in die Ecke drängen, weil der Futtermais, mit dessen Protein der vegane Bio-Kompost gedüngt wurde, aus Ungarn und aus konventionellem Anbau kommt. Da ist ihr Hornmehl kein bisschen besser.

Noch etwas zum Preis: Die vegane Bio-Balkonerde ist pro 15-Liter Sack ca. 2 Stutz teuerer als eine vergleichbare unvegane Bio-Balkonerde. Ich habe Ricoter gebeten, mir möglichst viele konkret nachvollziehbare Gründe für den Priesunterschied zu nennen, und dabei explizit gefragt, ob das Maisprotein anstelle der Hornspähne den Kompost teurer mache. Ricoter hat mir als Antwort diese Liste von Gründen geschickt, die ich persönlich alle gut nachvollziehen kann:

  • Entwicklungs- und Versuchsaufwand bis zur Marktreife des Produktes für einen Markt mit momentan noch relativ kleinen Stückzahlen.
  • Zusatzaufwand zur Platzierung und Distribution bei einem Verkaufskanal
  • Zusätzliches Risiko, ob das Produkt auch genügend Kundschaft findet und länger als ein Jahr im Sortiment bleibt.
  • Separate Rohstoffaufbereitung des Rindenkompostes, in (noch) sehr kleinen Mengen.
  • Zusätzlicher Platzaufwand, getrennt von der übrigen Kompostierung.
  • Kleinere Mengen und kleiner Chargen, daher anteilsmässig höhere Verarbeitungskosten.
  • Teurere Verpackung wegen kleinerer Auflage.

Für mich geht der Preisunterschied von 2 Stutz völlig in Ordnung. Interessant fand ich bei dieser Liste aber v.a., dass “Maisprotein statt Hornspähne” als Grund fehlt. Gilt am Ende beim Kompostdünger das Gleiche wie in der Küche? Ist vegan auch hier an sich gar nicht teurer sondern war bislang bloss weitgehend unbekannt? Und sind Hornspähne als Dünger vielleicht gar nicht unbedingt wegen ihren biochemischen Eigenschaften und ihrem guten Preis der vorherrschende Bio-Kompost Dünger, sondern v.a. weil ihre Verwendung im Pflanzenbau eine wichtige Funktion bei der Stützung der karnistischen Ideologie erfüllt? – Ja, solche Fragen stellt man sich, wenn man seit Tagen an einem Text über vegane Balkonerde schreibt. Ich sollte vielleicht besser mal zu einem Schluss kommen.

8. Tofu in Kalbsbratwurstform, Seitan in Schweinsplätzchenform, und jetzt auch noch vegane Erde in Erdsackform… warum macht ihr so perverse Sachen? Ich trage meine unvegane Erde ja auch nicht in Brokkoliform herum.

Lange Antwort: Manche von denen reden sogar schon fast gleich viel Müll wie die Original-Omnivorenförmigen. Und ja, ich weiss, du läufst auch nicht in Kopfsalat-mit-Rüeblinase-auf-Wassermelonenbauch-mit-Gurkenbeinen-Form herum. Aber probier’s doch mal aus.

9. Im Ernst jetzt: Was ist so toll an veganer Bio-Balkonerde?

Lange Antwort: Nein, Dude, ich habe keinen Pfus mehr für eine lange Antwort. Lies dir die Antworten auf die anderen Fragen durch und denk dir deinen Teil dazu. Und sowieso: Vegane Bio-Balkonerde ist offensichtlich toll. Sieh es einfach ein.

10. Wie geil ist das denn?

Lange Antwort: Mischi sagt Geilomat. Passt hier auch.

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Kommentare

6 Antworten

  1. Wieder ein Produkt wo den „Veganern“ das Geld aus der Tasche gezogen wird. Ist schon seltsam was sich die Industrie alles einfallen läßt. Last euch nur verarschen.

  2. Einen Sack vegane Bio Erde habe ich gekauft. Der Preis ist leider sehr hoch…hoffentlich werden viele dieser Säcke gekauft und das Produkt kommt dann mit der Zeit zu einem erschwinglicheren Preis auf den Markt.
    Eher günstig ist immer noch der eigene Kompost im Garten oder als Balkonkübel. Mit etwas „now how“ ist das kein Mühsal,

  3. Bleibt zu hoffen das sich nicht noch ein paar Bodenlebewesen mit in den Sack geschlichen haben, sonst wird man noch unfreiwillig zum Massentierhalter. Ich möchte ja nicht das die Mikroben, Tausendfüssler und Würmer in meinem engen Balkonkistchen leben müssen. Und super kann ich jetzt Erde kaufen mit Maisprotein das aus den wunderschönen, sterilen und grünen Maismonokulturen stammt. Diese Maisanbauflächen sind zum Glück aber schon so artenarm und lebensfeindlich, das ich keine Angst haben muss es könnte sich ein Tierchen in die Erntemaschine verirrt haben. Aber die Tomaten freuen sich sicher das sie nun vegan aufwachsen können bevor sie gefressen werden.

  4. Super, dass die VGS (resp. Sebastian Leugger) dieses neue Produkt (mit)initiiert hat und Coop von der Idee der veganen Erde überzeugen konnte. Werde ab sofort nur noch diese Erde kaufen! Go vegan – all the way! 😉

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