26. Februar 2021

«Eat Just»: Warum du diesen grossen Player kennen solltest

Der vegane Foodriese «Eat Just» aus den USA kommt wohl bald nach Europa. Ob Eier oder Fleisch: Sie bauen Tierprodukte identisch nach. Schafft «Eat Just» so, einen Beitrag zur Beendigung der Nutztierhaltung leisten?

In der Schweiz wurden 2019 etwas über 1,5 Milliarden Eier verzehrt. Das ergibt einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsum von 184 Eiern pro Jahr. Im internationalen Vergleich liegen wir damit eher hinten: In Deutschland sind es 235 Eier, in den USA 284, weltweiter Spitzenreiter ist Singapur mit 358 Eiern pro Person und Jahr.¹ Schätzungsweise zwei Drittel dieser Eier sind verarbeitet, also z.B. in Gebäck enthalten, ein Drittel wird für die eigene Verwendung gekauft. Und genau auf dieses Drittel hat es das Unternehmen «Eat Just» abgesehen.

2011 von den Kindheitsfreunden Josh Tetrick und Josh Balk gegründet, wurde «Eat Just» bereits 2016 mit einer Milliarde Dollar bewertet. Dazwischen lagen die Lancierung einer veganen Mayo und einer weissen Sauce, ein Jahr später folgte ihr bisher berühmtestes Produkt, das Ei aus der Flasche.

Mehrere Sorten der grandiosen Mayo, die aber bisher nur in den USA erhältlich ist.

Beide der Gründer kommen nicht aus der Lebensmittelindustrie: Josh Tetrick war vorher in der Entwicklungshilfe tätig, Josh Balk beriet Supermärkte zu vegetarischem Angebot und arbeitete für verschiedene Tierrechtsorganisationen, wo er unter anderem undercover Recherchen auf Höfen und in Schlachtbetrieben anstellte.

Wie schmeckt das Ei aus der Flasche? 

Die Verwendung ist denkbar bequem, man muss einfach den Inhalt der Flasche in die Pfanne quetschen und weiterverarbeiten zu Rührei oder Omelette. Laut unserem Vereinspräsidenten Rafi schmeckt es auch wunderbar im Fried Rice – der Geschmack sei aber eher auf die USA ausgerichtet, also etwas süsslich. Der Nachteil des Eierersatzes: Die Flasche muss gekühlt werden und auch das Haltbarkeitsdatum ist eher kurz. Auch zum Backen eignet sich «Just Egg» nicht, ein Kuchen würde damit nicht fluffig.

Diese Speisen sollen damit gelingen. Vereinspräsi Rafi, der sich die Flasche jeweils von Freunden mitbringen lässt, kann übrigens bestätigen, wie fein Fotzelschnitten aka French Toast mit «Just Egg» werden. Bild: Eat Just

Das sind die Inhaltsstoffe von «Just Egg»:

Wasser, Mungobohnen-Protein-Isolat, Rapsöl, Zwiebel, Gellangummi, Karottenextrakt (Farbe), Aromen, Kurkumaextrakt (Farbe), Kaliumcitrat, Salz, Sojalecithin, Zucker, Tapiokasirup, Natriumdiphosphat, Transglutaminase, Nisin (Konservierungsmittel). 

Die Nährstoffwerte hat das Unternehmen identisch zu denen von Hühnereier gestaltet. So enthält ein Ei-Äquivalent (44ml) 1g Kohlenhydrate, 5g Fett, 0g Zucker und 5g Protein. Und natürlich weder Cholesterin, Medikamentenrückstande noch andere unerwünschte Inhaltsstoffe eines Hühnereis.

Wann kommt das Ei aus der Mungobohne in die Schweiz?

Das Unternehmen «Eat Just» möchte mit ihrem Produkten nichts weniger als das jetzige Lebensmittelsystem revolutionieren. Ihre Mission fassen sie in amerikanischer Manier so zusammen:

«Unsere Familie hier ist voll von Computerbiologen aus Stanford und Lebensmittelingenieuren von Kraft und Campbell’s und Köchen aus Michelin-Sterne-Restaurants. Sie kommen von Apple und General Electric. Sie kommen von einigen der grössten und innovativsten Unternehmen der Welt, um jeden einzelnen Tag alles zu tun, was sie können, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass, bevor wir sterben, in jeder Community ein faires, ehrliches und gerechtes Lebensmittelsystem vorherrscht.»

Das spannendste Produkt momentan: Acht Eier ersetzt der Inhalt dieser Flasche. Einfach in die Pfanne geben, anbraten, umrühren und fertig ist das vegane Rührei. Bild: Eat Just

«Just Egg» ist bisher nur in den USA erhältlich, soll aber noch 2021 nach Kanada und Asien kommen. 2020 hat der Bau einer Anlage in Singapur begonnen, damit «Just Egg» lokal produziert und die asiatische Region beliefert werden kann. 

In Europa kümmert sich die PHW-Gruppe zusammen mit der Eurovo-Gruppe um den Vertrieb. Sie wollten die Eier aus der Flasche bereits Ende 2019 in die Läden und Gastronomie bringen. Einen neuen Termin für Europa und somit die Schweiz gibt es noch nicht.

Vegane Lebensmittel verdrängen Tierprodukte

Die Eurovo-Gruppe ist der europäische Marktführer in der Produktion von Eiern und Eierprodukten. Bei der PHW-Gruppe handelt es sich um den grössten deutschen Geflügelzüchter und -verarbeiter, der übrigens auch Beyond Meat und somit den Beyond Burger in Europa vertreibt. Das ist einerseits ernüchternd, da es einem als Veganer*in widerstrebt, solche Unternehmen zu unterstützen.

Für die vegane Bewegung bietet diese Entwicklung jedoch auch grosse Vorteile: Die pflanzenbasierten Produkte werden nicht in Konkurrenz stehen zu ihren Tierprodukten, sondern bestens mit bereits vorhandenem Kapital beworben. Es dauert viel schneller, bis die Produkte erhältlich sind, da bereits etablierte Absatzkanäle bestehen. Und nicht zuletzt werden unvegane Unternehmen schliesslich schneller aufhören, auf Tierprodukte zu setzen, wenn sie alternative Einkommensquellen haben.

In einem Interview mit der deutschen Agrarzeitung sagte Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe: «Wir werden unsere gesamte Vertriebserfahrung und Marktkenntnis einsetzen, um sicherzustellen, dass «Just» das bestmögliche Debüt in Europa hat».

(Hier haben wir 5 Pro- und Kontrapunkte darüber zusammengefasst, wie grosse Multis den veganen Markt einnehmen und beeinflussen.)

Das Ei ist fertig, es folgt das grosse Kapitel Fleisch

Das neuste Projekt von «Eat Just» sind kultivierte Chicken Nuggets. Diese bestehen zu 70% aus kulitivierten Zellen, der Rest sind Mungbohnenprotein und andere Zutaten. Für das kultivierte Fleisch entnehmen sie einem Huhn wenige Zellen, die sie daraufhin mit allem versorgen, was das Tier sonst auch erhalten würden. Einige Wochen später ist daraus Fleisch gewachsen, das identisch zu dem von geschlachteten Hühnern ist.

Für dieses kultivierte Fleisch mit dem Namen «Good meat» haben sie weltweit als erste Produzenten eine Zulassung in Singapur erhalten.² In allen anderen Ländern wird noch ausgearbeitet, wie mit dieser neuen Methode umgegangen werden soll. Nun sollen die Chicken Nuggets dort testweise in Restaurants angeboten werden.

Das sind sie: Die ersten erhältlichen Chicken Nuggets aus dem Labor. Bild: Eat Just.

Noch ist die Herstellung sehr teuer, sodass der Preis bei 50 bis 100 Dollar pro Nugget liegt. «Eat Just» und alle anderen Unternehmen, die weltweit an In-Vitro-Fleisch forschen, haben also noch einen langen Weg vor sich.

Ist In-Vitro-Fleisch vegan?

Kultiviertes Fleisch ist weder pflanzenbasiert noch vegan oder vegetarisch. Es basiert auf echten Zellen von Tieren, allerdings muss dafür kein einziges Tier sterben. Kultiviertes Fleisch könnte die Lösung für den weltweit noch immer steigenden Fleischkonsum sein. Denn es braucht keine riesigen Landflächen, keine Unmengen an Wasser, keine Antibiotika, und schmeckt dennoch identisch. Wenn kultiviertes Fleisch in einigen Jahren gleich teuer sein wird, wird es keinen Grund mehr geben, sich für das Fleisch von geschlachteten Tieren zu entscheiden. Experten gehen davon aus, dass dieser Schritt eine grosse Wende einläuten wird.

Und wer weiss: Wenn das vegane Ei aus der Flasche dereinst in der Schweiz erhältlich ist, wird vielleicht auch nie mehr die horrende Anzahl von 1,5 Milliarden jährlich verzehrten Eier erreicht.

Quellen:

1  Dashboard Eiermarkt 2019, Fachbereich Marktanalysen, Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/markt/marktbeobachtung/eier.html#:~:text=Der%20statistische%20Eier%2DVerbrauch%20pro,halbes%20Ei%20pro%20Tag%20verbraucht.

2 https://www.bbc.com/news/business-55155741

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2 Kommentare

guest
Sydne
Sydne
vor 3 Jahre

Hi
Wine kleine Anmerkung: Im Moment werden die Zellen meines Wissens nach noch aus fetalem Kälber-Serum gewonnen, was keinen veganen Grundsätzen entspricht, hierzu PETA: „Die Gewinnung von fötalem Kälberserum ist jedoch mit großem Tierleid verbunden und entspricht damit natürlich nicht dem Grundgedanken von kultiviertem Fleisch. Einer schwangeren Kuh wird dafür unmittelbar nach der Tötung im Schlachthof der Fötus aus der Gebärmutter geschnitten. Dem lebenden und unbetäubten Kalb wird dann, in der Regel durch einen Stich mit einer Nadel direkt ins Herz, alles Blut entnommen.“
Quelle: https://www.peta.de/themen/laborfleisch/

Deshalb stimmt die Aussage „Es basiert auf echten Zellen von Tieren, allerdings muss dafür kein einziges Tier sterben.“ im vorliegenden Artikel m.E.n. nicht.

Aber die Forschung geht sicher in die richtige Richtung 🙂 selbst mit Kälberserum müssten immerhin deutlich weniger Tiere sterben, was nstürlich schon eine enorme Verbesserung wäre.

Liebe Grüsse
Sydne

Anja
Anja
vor 3 Jahre

Liebe Sydne

Danke für deine aufmerksame Anmerkung!
Stimmt, momentan wird anscheinend noch fötales Kälberserum für die Produktion verwendet, wofür zahlreiche ungeborene Kälber getötet werden.
Auch daran wird geforscht und so scheint es hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch hier pflanzliche Lösungen gefunden werden. Eat Just hat übrigens vor einigen Monaten kommuniziert, dass sie bereits eine tierfreie Nährstoffrezeptur zur Fütterung der Zellen entwickelt haben, die aber von den Behörden noch zugelassen werden muss.
Hoffen wir also, dass diese grausame Praxis bald nicht mehr nötig sein wird.
Herzliche Grüsse
Anja