«Viele haben ein Aha-Erlebnis, dass vegane Produkte genauso gut schmecken können»
Gleich zwei vegane Bäckereien hat die Stiftung Enzian in Zürich innert vier Wochen eröffnet. Was führte dazu und wie ist das Geschäft angelaufen?
Wo früher ein Restaurant mit typischen Schweizer Gerichten stand, bringt heute ein vierstöckiger Concept Store Abwechslung ins Zürcher Niederdorf. Er gehört zur Stiftung Enzian, die in Zusammenarbeit mit der IV in rund 13 Betrieben Ausbildungsplätze für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen bietet.
Neben veganen Backwaren und einem Take away findet man dort auch Blumen und Dekorationen, Kleidungsstücke sowie ein veganes Kosmetikstudio. Für diese radikale Veränderung musste Thomas Paulin, Geschäftsleiter der Enzian Stiftung, einige Köche ziehen lassen. Er hat uns erzählt, wie und weshalb es zu diesem Umbruch kam.
Neben der Theke finden sich allerlei Feinkost- und Geschenkartikel, die in den verschiedenen Betrieben hergestellt wurden.
Am 24. Oktober habt ihr in Oerlikon eine vegane Bäckerei eröffnet. Wie ist das Geschäft angelaufen?
Thomas Paulin, Gründer und Geschäftsleiter Stiftung Enzian: Früher hatten wir dort eine klassische Bäckerei, die wir dann zu einer Lernwerkstatt für Auszubildende umfunktioniert haben. Denn der Standort ist für einen klassischen Beck aufgrund der grossen Konkurrenz schwierig. Doch dadurch, dass wir nun ausschliesslich vegane Produkte anbieten, heben wir uns von den anderen Anbietern am Bahnhof ab, und die Leute kommen zu uns.
Nur vier Wochen später folgte im Niederdorf der «Enzian eat&art Concept Store». Wie war dort die Resonanz?
Die Eröffnung war ein voller Erfolg und wir wurden positiv überrascht. Es war schwierig einzuschätzen, wie viele Menschen sich für unser Angebot interessieren – gerade auch in Zeiten von Corona, wo die Leute weniger unterwegs sind. Wir konnten viel verkaufen und haben uns über die positiven Rückmeldungen zu unseren Produkte sehr gefreut.
Wie kam es dazu, dass die Stiftung Enzian innerhalb von vier Wochen zwei ihrer Standorte auf vegan umgestellt hat?
Wir achten nicht nur auf vegane Zutaten, sondern versuchen diesen Nachhaltigkeitsgedanken durch die gesamte Wertschöpfungskette zu tragen. Sowohl in der Bäckerei in Oerlikon wie auch im «Enzian eat&art Concept Store» ist alles «made in Züri», das ist uns wichtig. Wenn man feine Backwaren auch vegan anbieten kann, finde ich das super. Der Stillstand im Frühjahr hat bei mir einige Denkprozesse ausgelöst, und den Mut zu haben, Neues zu machen – das ist doch das Positive an Corona.
Linzertörtli, Schoggischnitten, Mandelgipfel: In der veganen Bäckerei kommen Dessertliebhaber auf ihre Kosten.
Wen möchtet ihr mit dem «Enzian eat&art Concept Store» ansprechen? Wer ist eure Zielgruppe?
Bisher sind es vor allem jüngere Menschen, die bei uns einkaufen. Sie treiben den Wertewandel voran und werden diese Werte weitergeben. Daher sehe ich eine Beständigkeit in dieser Bewegung, was auch in Zukunft die Nachfrage an unseren Produkten steigern dürfte. Letztlich sind bei uns aber alle willkommen, denen unsere Produkte schmecken.
Wie plant ihr denn, nicht vegan lebende Personen in euer Geschäft zu holen?
Wichtig ist, dass die Produkte schmecken – denn so kommen auch Menschen, die nicht vegan leben. Das Niederdorf ist zudem eine touristische Gegend und geprägt von Laufkundschaft – wobei die Touristen zurzeit wegen Corona fehlen. Die Bewährungsprobe kommt, wenn diese wieder hier sind. Erfahrungsgemäss wollen sie nämlich Züri-Geschnetzeltes oder Fondue, deshalb macht das hier auch jeder. Wir sind gespannt, wie das Angebot bei den Touristen ankommen wird.
Etwas konzeptlos wirkt die Ecke mit Secondhand-Kleidern und einer eigenen Modelinie im ersten Stock.
Bevor dieser Store entstand, war hier ein Restaurant mit Schweizer Küche. Wieso wolltet ihr dieses nicht weiterführen?
Wir wollten etwas Neues, etwas anderes. Ein Restaurant im Niederdorf zu führen, ist trotz guter Bewertungen schwierig, denn die Konkurrenz ist gross. Es hat keinen Spass mehr gemacht, etwas anzubieten, das die Leute nicht anspricht – und an der Arbeit sollte man doch auch Spass haben. Deshalb haben wir etwas Neues gewagt, was viel Mut kostete. Diese grosse Veränderung hat aber auch dazu geführt, dass uns einige Köche verlassen haben. Nicht alle haben das neue Konzept mitgetragen, für einige gehören in die Küche Fleisch und Milchprodukte.
Wie schwierig war es, neue Mitarbeitende zu finden?
Gar nicht, tatsächlich hatten wir die Stellen rasch besetzt. Auch weil wir keinen 7-Tage-Betrieb mehr wollten und daher weniger Personal brauchen.
Gleich beim Eingang werden hübsche Pflanzen und Dekoartikel angeboten.
Verrätst du uns: Was ist dein veganes Lieblingsprodukt der Bäckerei?
Ich finde den Zopf super! Bei den Kunden kommt die Tiramisu-Torte sehr gut an. Viele haben ein Aha-Erlebnis, dass vegane Produkte vielleicht anders, aber genauso gut schmecken können. Selbst sind wir unseren Produkten gegenüber sehr kritisch. An wöchentlichen Foodsitzungen werden neue Produkte vorgestellt und getestet. Vieles fällt dort durch. Bei der Tiramisu-Torte war das Ergebnis jedoch ziemlich klar. (lacht)
Wohin führt die vegane Reise als nächstes?
Wir planen, mit unserem Catering vermehrt vegane Speisen anzubieten und dort das Angebot auszubauen.
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4 Kommentare
Kompliment, finde ich absolut Spitze!
Ich wohne in Nidwalden, Stansstad und hoffe auf baldige ,,Nachahmung!!! : ) Das wäre mega toll!👍🙂 Ich bin 53Jahre alt, einmal eine ältere Person, die eine begeisterte Veganerin ist!! 😉
Lieber Gruss, Doris Baumeler
Jaaa genau, in der Zentralschweiz wäre so eine Bäckerei super 🙂
Danke für den Mut für Neues, zukunftsweisendes…. gehöre bereits zu euren Stammkundinnen und freue mich einfach über das tolle Angebot. So ohne Tierleid und klimafreundlich ist der Genuss noch grösser.
Wie toll🙏🏽 Die Welt bewegt sich immer mehr und nicht nur der vegane Gedanke zählt, sondern es wird weiter gedacht und auch explizit auf die Nachhaltigkeit Wert gelegt!
All das gibt mir Hoffnung auf eine lebenswertere Welt, auch für unsere Kinder und Kindeskinder 😌