09. April 2020

«Meine Schwangerschaft war ein Traum»

Die Entscheidung, auch in der Schwangerschaft auf Tierprodukte zu verzichten, sollte wohlüberlegt sein. Nicht etwa wegen gesundheitlichen Risiken, sondern wegen dem starken Gegenwind, der einem entgegenbläst. Gastbloggerin Alma hat es gewagt und würde beim nächsten Mal nur etwas anders machen. 

Vegan zu sein, ist eine Sache. Vegan und schwanger zu sein, eine ganz andere. Diese Kombination nur schon zu erwägen, braucht Mut; die Sache dann auch durchzuziehen, erst recht. Bei der Lektüre von Schwangerschaftsbroschüren, die fast allesamt von einer rein pflanzlichen Ernährung abraten, kommt man sich schnell einmal verantwortungslos vor, diese Idee überhaupt zu haben.

Und erst die Reaktionen der Familie! Da hatte sich das Umfeld gerade an den Gedanken gewöhnt, dass man keine Milchprodukte mehr konsumiert, keine Wollsocken und Ledertaschen mehr kauft und – und schon folgt der nächste Hammer: Ich bin schwanger – und ernähre mich weiterhin vegan!. Die Frage, ob ich mich tatsächlich auch in der Schwangerschaft ausschliesslich pflanzlich ernähren will, wurde mir so oft gestellt, dass ich sie irgendwann schon riechen konnte, bevor sie jemandem über die Lippen kam. Da war diese Sorge in den Augen der Leute. Und erneut fühlte ich mich seltsam fehlgeleitet.

Es gibt nur wenige Beispiele von vegan lebenden Müttern, allen voran Lauren Wildbolz, die – in Zusammenarbeit mit einem Arzt – über gesunde Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit schrieb. Wissenschaftliche Studien dazu gibt es jedoch wenige. Das erklärt die Zurückhaltung vieler Ärzt*innen in Sachen veganer Ernährung. So ist es verständlich, dass sie Müttern lieber von einer veganen Ernährung abraten als sie ihrem Vorhaben unterstützen, solange die Datenlage so gering ist. Es braucht darum viel Eigeninitiative, um als Schwangere an genügend Informationen zu kommen, gerade wenn man den ständigen Fragen und Gegenargumentationen standhalten will.

Ein Wagnis

Was ist, wenn dem Baby etwas fehlt? Bekommst du ohne Fleisch denn auch genügend Eisen? Ich fragte mich oft, was diese Leute wohl zu den Hormonen und den Antibiotika- und Eiterrückständen in Fleisch und Milch sagen würden, die bei einer Mischkost dem Baby im Bauch zugemutet werden. Es ist erschütternd, wie viel Unwissen in den Bereichen Ernährung und Gesundheit noch immer herrscht; wie viele Mythen herumgeistern und nur selten hinterfragt werden. Ich liess die an mich herangetragenen Vorurteile und Halbwahrheiten hinter mir und hörte auf mein Bauchgefühl.

Meine Frauenärztin unterstützte mich glücklicherweise. Sie war sogar der Meinung, dass ich mir auf die Weise keine Sorgen wegen der rohen tierischen Lebensmittel machen müsse: Produkte wie Rohmilchkäse oder rohe Eier sollten wegen des erhöhten Risikos für eine Lebensmittelvergiftung während der Schwangerschaft gemieden werden. Meine Eisenwerte waren knapp über dem Durchschnitt anderer Schwangeren und mein B12-Wert war stabil. Deswegen bestand auch für meine Ärztin kein Grund zur Sorge.

Nachdem ich vier Wochen Übelkeit überstanden hatte, erlebte ich eine traumhafte Schwangerschaft. Ich fühlte mich kräftig und war voller Tatendrang. Meine innere Energie strahlte nach aussen. Ja, so gesund kann eine schwangere Veganerin aussehen.

Spätestens nach der Geburt meiner ebenso gesunden Tochter mussten sich wohl viele in meinem Umfeld eingestehen, dass die Kombination vegan und schwanger doch funktionieren kann.

War es das Richtige?

Das Stillen funktionierte problemlos. Nach acht Monaten Stillen folgten rein pflanzliche Gemüse-, Getreide und Früchtebreie, die es ohne Probleme überall zu kaufen gibt. Und seither? Statt Schnitzel gibt es Linsen und Bohnen, statt Käse solchen auf Mandel- und Cashewbasis. In den Schoppen kommt Hafermilch, und Tofu ersetzt das Fleisch. Das geht alles wunderbar.

Ich wollte nichts falsch machen, gerade auch weil ich nach Meinung einiger Leute in meinem Umfeld mit der veganen Ernährung ein gesundheitliches Risiko für meine Tochter einging. Also liess ich, als meine Tochter 15 Monate alt wurde, ihr Blut auf alle möglichen Mineralstoffe und Spurenelemente testen. Die Werte waren gut. Endlich konnte auch ich selber meine letzten Zweifel ablegen. Heute stellt kaum jemand noch besorgte Fragen. Es reicht, unsere energiegeladene und fidele Tochter zu sehen, die bisher kaum krank war und pure Lebenskraft versprüht. 

Bei einer nächsten Schwangerschaft würde ich nur eines anders machen – ich würde etwas weglassen: Meine Unsicherheit, das Richtige zu tun. Für mich ist nun klar, dass ich das Richtige getan habe. Für mich und mein Kind. Für die Tiere und für die Umwelt. 

Alma Pfeifer arbeitet als Primarlehrerin und freischaffende Journalistin. Vegan zu leben, sieht sie als wichtigen Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren Welt. In der Hoffnung, damit die vegane Lebensweise zu befeuern, schreibt sie regelmässig für vegan.ch.